Pieces - piece by piece

this article was published on the Sonic Front MySpace Site in 2007. Here is the original story about each track of the album - in German.

 

White out

Christoph und ich sprachen im Vorfeld lange darüber, wie wir uns „Pieces“ vorstellen. Es sollte Ecken und Kanten haben. Keine Kompromisse. Am besten gleich zu Anfang den Hörer verstören. Uns war sofort klar: „white out“ würden den Opener darstellen. Eine dunkle Dampframme mit merkwürdigen Brüchen. Genau richtig!

Großen Respekt habe ich bei dem Song vor dem Drumming von Stefan Reese. Er spielte den Song immer, auch live, absolut zuverlässig und tight. Nur so konnten die Sequenzer von Arman mit dem „richtigen“ Schlagzeug harmonieren.

Übrigens in dem langen Instrumental-Intro versteckt sich eine von mir gesungene Passage, die wir durch Armans Keyboards haben laufen lassen. Bereits als der Song vor langer Zeit im Proberaum entstand, nahmen Arman und ich das auf. „Born again“ lautet die Zeile. Das war lange vor Christophs Krankheit. Irgendwie schon merkwürdig. Damit fängt „Pieces“ an und man kann es im nachhinein tatsächlich ein wenig wie eine Wiedergeburt, oder besser als ein Vermächtnis von Christoph verstehen.


Inhalt:

Inhaltlich dreht es sich um den Verlust von Identifikation und den eigenen Idealen. Den Verlust der eigenen Identität bis zur Unkenntlichkeit.

Eine meiner Lieblingszeilen in dem Song ist „you got no vision, you pay per view“. Ich hatte diese Zeile lange in meinem Notizbuch, in dem ich meine Textentwürfe aufbewahre.. Sie wartete geradezu auf eine passende Stelle in einem unserer Songs. Hier brachte ich sie (endlich) unter.



He left is right

Wenn ich mich recht erinnere, war das der zweite Song, den wir nach „Depart“ schrieben. Er entpuppte sich recht schnell zu einem unserer „live Klassiker“. Auf jeden Fall merkten wir sofort, dass der Song auf der Bühne funktioniert. Dementsprechend war er schon vollkommen fertig arrangiert, als wir ihn im Studio aufnahmen. Mit einer Ausnahme: Christoph probierte sich eines Abends an einem Solo für den Song. Ein Solo, das er vorher noch nie gespielt hatte. Ich erinnere mich, dass ich an einem Freitagabend zu Christoph ins Studio kam, wo er mit Robert Adam gerade an eben jener Stelle arbeitete. Es wurden ein paar Takes aufgenommen. Es klang interessant. Wir waren der Meinung, dass man mal schauen könne, was wir daraus machen. Und danach nahm ich Christoph auf Armans Idee hin mit zu einem Gospel-Konzert. In einer Kirche schauten wir 3 uns zusammen mit unseren Freundinnen ein Konzert an. Gegen Ende des Konzertes ging es Christoph zunehmend schlechter, so dass ich ihn zu Beginn der Zugaben nach Hause fuhr. Es sollte der letzte Abend sein, an dem Christoph im Studio war und eine Gitarre in der Hand hielt.

Nach Christophs Tod etwa zweieinhalb Monate später war uns klar, dass dieses Solo unbedingt in den Song musste. Es ist ein Highlight. Mir gibt es immer noch eine Gänsehaut. Hör es Dir an, ab 3:31 geht es los.



Inhalt:

Was soll der Titel? Was heißt „he left is right“? So, oder so ähnlich wurde ich schon häufiger gefragt. Wäre ich jetzt in einer Marketingabteilung einer Werbeagentur würde ich sagen: „Es ist ein cooles Wortspiel, dass Aufmerksamkeit erzeugt und damit perfekt als Titel funktioniert!“. Ich bin aber nicht in der besagten Abteilung. Ok, es ist ein bewusstes Wortspiel. Aber eines, das im Kontext auch eine Aussage hat. Im Text geht es um den Wertverlust politischer Fraktionen. Geschrieben gegen Ende der ersten Amtszeit von Gerhard Schröder als Bundeskanzler. Einem Kanzler der auch als Genosse der Bosse bezeichnet wurde, der den Abbau sozialer Sicherungssysteme in Deutschland entgegen ursprünglicher Grundausrichtung seiner Fraktion voran trieb. Der eigentlich Linke war plötzlich rechter (und das hat in dem Zusammenhang ausdrücklich nichts mit der rechten, faschistischen Szene zu tun!) als der ein oder andere damals Oppositionelle. Es brauchte keiner großen hellseherischen Kräfte, dass „as he gets his closure, we will comprehend“ bereits den Niedergang der ehemaligen Regierung prophezeite. Im übrigen, schaut man sich jetzt die politische Landschaft in Deutschland an, hat der Text zu „he left is right“ überhaupt nichts an Aktualität verloren.

Die ein oder andere verbale Anleihe aus dem Wirtschaftsjargon ist im Text „verbaut“. Die Bedeutung der „cash cow“ oder dem Sieg der Bären über die Bullen sollte jedoch verständlich sein und nicht das Wirtschaftsstudium erfordern, das ich hinter mir habe.



Common ground

Einer der atmosphärischsten Songs auf „Pieces“, wie ich finde. Nach dem fetten Intro wird man plötzlich in einen Elektro-Basslauf geschmissen, um dann in eine ruhige, geradezu lauernde Strophe zu gelangen. Dieser abrupte Übergang war übrigens erst eine Notlösung, weil wir mit den ausklingenden Gitarren aus dem fetten Part nicht ganz glücklich waren. Je häufiger wir diesen Schnitt bei der Produktion hörten, desto passender fanden wir es aber. Und so blieb es eben im Song. Manches Mal ist eine konsequente Lösung einfach die beste. Genauso wie wir uns im Studio dazu entschlossen, ein Intro zu dem Song (dass mich immer an Prodigy´s Firestarter erinnerte) raus zu kicken und den Song sofort nach „He left“ reinknallen zu lassen.

Im Proberaum genoss ich es wirklich, die Strophen zu singen, da sie Platz für die Stimme lassen. Etwas, was im Sonic Front Kosmos nicht allzu oft auftrat. Schade, dass wir den Song lediglich zwei mal live spielen konnten. Ich hätte mir sehr gut vorstellen können, den Song am Ende eines Sets zu spielen. Stell Dir nur vor, wie geil man das Ende hätte austoben können…

Übrigens, der Lacher zu Beginn des elektronischen Mittelteils ist nicht gespielt. Während der Gesangsaufnahmen probierte ich ein wenig an dem „the pieces will fit“ herum. Und da das soooo „dramatisch“ klang, musste ich einfach loslachen. Also tatsächlich kein Fake. Bei der späteren Produktion legte ich Wert darauf, dass es nicht heraus geschnitten wird. Das ein oder andere Augenzwinkern musste auf dem Album einfach enthalten sein. Trotz der Umstände mit Christophs Krankheit und seinem Tod. Auch in der Vergangenheit haben wir immer wieder mal spontan einen Joke in die Songs „eingebaut“. Das entsteht eben einfach im Studio. Eigentlich verwunderlich, dass wir darauf so gut wie nie angesprochen wurden.


Inhalt:

Im Text geht es um die totale Selbstaufgabe. Das sich dem Fluss hingeben, auch wenn es den eigenen Untergang bedeutet. Häufig geht es in Sonic Front Texten um Suchen. Die Suche nach sich selbst, die Suche nach einer Heimat, die Suche nach Sinn usw.. Auf „Depart“ formulierte ich es mit „one of these days I´m going to get where I´m going”. Ein Hemmingway-Zitat, das sehr zutreffend und charakterisierend ist. Um im Sinne vom Song „common ground“ zu bleiben, bedeutet diese Suche den einzigen “common ground” auf dem man sich befindet. Ob die Suche einem hilft, sich besser zu fühlen. Ja, ich glaube manchmal schon…

Als der Text für den „Hauptteil“ des Songs schon geschrieben war, suchte ich nach einem Song, der das „Pieces“-Motiv aus dem Album-Titel aufnimmt. Ich landete hier bei „common ground“, wo das „pieces fit“ im wahrsten Sinne des Wortes passte. Es fügt sich alles zusammen. Was gerne als Resumee der Band und dem Ende von Sonic Front gedeutet werden kann. Die Suche ist zu Ende, die Teile passen nun zusammen.



36 below

Das ist der erste von einigen auf dem Album folgenden Songs, die erst im Studio entstanden. Mit anderen Worten, die Christoph leider auch nie zu hören bekam.  Unser Konzept war es, die bereits live erprobten Lieder aufzunehmen und ggf. marginal anzupassen. Dann waren aber auch andere Songs, die teilweise nur aus einzelnen Riffs von Gitarre, Bass und Schlagzeug bestanden. So wie auch „36 below“. Bei Proben war es immer einer meiner Favoriten, weil ich das Gitarrenriff von Christoph liebte. Aber irgendwie entwickelte sich nie ein vollständiger Song daraus. Die grobe Struktur hatten wir. Mehr nicht. Auch keinen Gesang. Der entstand erst im Studio. Genauer gesagt eigentlich bei mir zu Hause. Da ich dort nicht so laut singen konnte wie im Proberaum, veränderte sich auch die Klangfarbe des Gesangs. Das war ungewohnt aber interessant zugleich. Ich experimentierte mit zweiten Stimmen. Etwas, was ich auch in der Vergangenheit bereits gerne intensiver getan hätte. In „36 below“ konnte ich es einsetzen. So wurde aus einem Song mit hartem Gitarrenriff durch den weicheren Gesang im Refrain auf einmal eine beinahe vergleichsweise poppige Nummer.

Übrigens taucht weder Olli mit seiner zweiten Gitarre noch Arman mit seinen Keyboards im Song auf. Wir überlegten beim Ausarbeiten des Songs erst, ob sie nicht noch Linien und eigene Teile beisteuern sollten. Allerdings stellt „36“ mit seiner vergleichsweise reduzierten Instrumentierung eine gute Ergänzung und andere Klangfarbe zu den restlichen Songs dar. Ich sage immer gerne: dieses Stück ist unser Rocker für die linke Spur auf der Autobahn. Ich könnte mir vorstellen, dass er live ziemlich gut funktioniert hätte.



Inhalt

Zugegeben: der Text zu diesem Song ist zu Beginn eine wilde Collage. Ich warf gut klingende Text-Passagen zusammen und verwendete sie als Strophen. Im Mittelteil wiederum machte ich mich genau über diese Vorgehensweise lustig. Ironisch beklage ich das Leiden der armen Poeten, ihre Worte bedeutsam in Refrains und Strophen kleiden zu müssen. Der Schlüssel: das Nichts einfach zur Kunst erklären…

Das lang gezogene „we´re done“ vor dem letzten Refrain ist wieder ein offener Bezug zum Ende der Band nach Christophs Tod.


Recording booth for “Pieces” in 2005 while recording vocals


Crazy

Ich weiß gar nicht genau, wie oft wir von Sonic Front im Bei Chéz Heinz in Hannover bei den alljährlichen Cover-Wochenenden teilgenommen haben. Es waren viele Male. Und immer war es unser Anliegen, dass die Cover-Version nach Sonic Front klingt. Das hat uns das Covern von Songs nicht gerade einfacher gemacht. Dank diesem Anspruch haben wir insgesamt recht selten Songs gecovert (tatsächlich hat es nur „Back in the USSR“ von den Beatles häufiger auf unsere Set-Listen geschafft). Eigentlich schade. Dafür klang es dann aber auch immer nach uns. …dabei erinnere ich mich gerade an „Such a shame“ von Talk Talk. Auch so ein Song, den wir mal einige Proben lang im Sonic Front-style anpassen wollten. Klang eigentlich verheißungsvoll, fiel dann aber letztlich doch durch unser „Qualitätssieb“…

Zurück zu den Cover-Events im Heinz: wir waren für den April 2004 vorgesehen. Motto: „Heinz Sielmann“ oder so ähnlich. Also durften nur Songs von Bands mit Tiernamen oder Songtitel mit Tiernamen gespielt werden. Ich weiß gar nicht mehr, was unser zweiter Song war, aber auf jeden Fall legten wir uns auf „Crazy“ von Seal fest und fanden das auch eine gute Idee. Die Proben ließen sich gut an und unsere Version gefiel uns allen. Leider sollte dann der März 2004 kommen und damit der Beginn von Christophs Leidensweg. Wir mussten unseren Auftritt absagen und damit auch die Uraufführung des Songs. Zum Glück ging es Christoph nach seiner ersten Reha wieder besser und wir konnten im August noch 2 letzte Auftritte spielen. Insbesondere unser Konzert in Barsinghausen, das erste nach Christophs Erkrankung, war einfach großartig. Du musst Dir das vorstellen: nachdem wir nicht wussten, ob wir jemals wieder auftreten würden und nachdem Christoph eine schwere Operation hinter sich hatte, fühlten wir uns wie Fische, die endlich wieder im Wasser schwimmen durften. Ich werde Christophs glückliches aber auch erschöpftes Gesicht nach dem Konzert mein Leben lang nicht vergessen. Ja, und an dem Abend spielten wir „Crazy“ das erste Mal live. Wie wir an dem Abend nicht wissen konnten: auch das vorletzte Mal.

Wir waren überzeugt von unserer Coverversion, ließen es uns aber offen, ob der Song später wirklich auf das Album kommen sollte. Nach Christophs Tod sprach ich auch mit Arman über das Thema. „Pieces“ entwickelte sich offensichtlich zu einem sehr persönlichen Album und irgendwie waren wir uns nicht mehr sicher, ob dann eine Fremdkomposition passt. Heute bin ich froh, dass wir uns dafür entschieden haben. Und wenn ich nun erste Rückmeldungen zum Album höre, macht es mich schon stolz zu hören: „Eure Version ist ja geiler als die von Seal!“.

Ach ja, und da war ja noch die andere Version: ehrlich gesagt, ich war entsetzt, als ich eines Tages beim Durchzappen im TV die Version von Alanis Morissette sah. Nein, jetzt nicht wegen der Qualität ihrer Variante, sondern weil es das erste Mal nach uns war, dass der Song nach meiner Kenntnis gecovert wurde. Damit hatte die Dame uns irgendwie die Stimmung verhagelt. Na, super. Andererseits, keiner von uns fand die Variante von Alanis wirklich dolle (obwohl sie sonst wirklich ein paar gute Songs geschrieben hat), es störte uns dann doch wieder nicht so sehr. Man könnte jetzt also vortrefflich streiten, ob denn unsere Version noch notwendig ist. Darum ging es uns aber nicht. Wir mögen unsere Version ausgesprochen gerne. Wer das nicht tut, kann sie gerne durchskippen.

Inhalt:

Spare ich mir – da Coverversion – hier mal.



Red oil sky

Das ist einer der Songs, die vor unseren Aufnahmen im Studio bereits fertig und durcharrangiert war. Während der Produktion erhielt er aber ein gänzlich anderes Gesicht. Wir löschten munter Drumspuren, killten Bässe, schmissen Keyboards raus und zerhackten den Gesang mit Effekten. Wenn hier jemand „geschmacksache“ ruft: einverstanden. Aber uns schmeckts. Und deshalb wird es auch so serviert. Und nebenbei; ich freue mich immer, wenn Songs durch die Arbeit im Studio noch Wendungen und Änderungen erleben. Manches Mal lassen es Songs nicht zu. Und dann ist das auch ok so. Aber hier war der Platz da. Und ich meine, es hat den Song nach vorne gebracht.

Ich mag die Stimmung zu Beginn des Songs: wunderbar dunkel und bedrohlich. Die Strophe führt das Ohr dann in eine andere Richtung, verwirrt mit der Bridge gänzlich, um dann vom Refrain überrollt zu werden. Herrlich!

Robert Adam und ich überlegten bei der Produktion, wie wir mit dem Ende des Songs umgehen sollten, da nur eine „Dummy“-Gitarre (also eine Begleitung von Christoph, die er eigentlich nur für Stefans Schlagzeug und Sebis Bass einspielte) vorhanden war. Wir entschieden uns schnell dagegen, andere Gitarren nachträglich einzufügen bzw. von Rob einspielen zu lassen. So blieb eine weitere rohe Spur von Christophs Aufnahmen erhalten. Das hat dann zwar kein „fettes“ zur Folge, dafür ist es echt und authentisch und erinnert ein weiteres Mal an ihn.


Inhalt:

Im August 2003 fiel in weiten Teilen der USA die Stromversorgung den maroden Leitungen zum Opfer. The land of the free stand wortwörtlich im Dunkeln. Spätestens seit Amtsübernahme von George W. Bush war dies politisch bereits seit geraumer Zeit der Fall. In „red oil sky“ (entstanden irgendwann zwischen 2002 und 2003) verarbeitete ich beides. Diese Ambiguität war einfach zu verlockend.

Erscheint Bush-Kritik heute meist nur noch als Polemik und Überbleibsel einer zwischenzeitlichen Welle von political correctness war dies damals eine „logische“ Verarbeitung der politischen Umwelt. Der Inhalt, by the way, ist nach wie vor aktuell. Und der Mann unglaublicher Weise immer noch im Amt.



Great fatigue

Der Song ist Armans Favorit. Nicht schwer zu erraten warum. Hier dominieren die Sequenzer. Lange Zeit hatte ich mit dem Song wirklich Probleme. Instrumentiert war er schon ewig, aber irgendwie hatte ich lange, lange Schwierigkeiten, Gesangslinien (wenn man das in diesem Song sagen darf) und einen Text zu finden. Ich fand den Song immer extrem nervös. Entsprechend entschloss ich mich, das mit dem Gesang später zu unterstreichen. Ehrlich gesagt bin ich mit dem Ergebnis, dem gesamten Song am Ende, ziemlich zufrieden. Nachdem man ihn 2-3 mal gehört hat, erscheint er doch ziemlich aus einem Guss. Etwas was mir tatsächlich beim Entstehen im Proberaum sehr fehlte und schwer verwirklichbar erschien. Manchmal muss ich Sturkopf mich eben einfach überzeugen lassen… Wahrscheinlich schmunzelt Arman nun…

Klasse finde ich die tiefen Gitarren, die nach knapp 3 Minuten das Ende des Songs einleiten. Nach dem „you´re feeling so much safer with. Don´t you?!“ schieben und drücken Christophs Gitarren ohne Ende, dass es eine helle Freude ist. Ich wünschte wir könnten das noch einmal mit ihm live spielen und alles nieder mähen.


Inhalt

Wir sind träge. Diese Trägheit haben wir uns hart erarbeitet und damit letztendlich auch verdient. Die Politik ist entsprechend die, die wir ebenso verdient haben. Also Arsch hoch, Zähne zusammen! Jawoll, einverstanden, ich schaue mir das dann im Fernsehen an. Studentenrevolten, gefühlt vor vielen, vielen Jahren, schaue ich mir in netten Filmen verpackt auf DVD an. Das macht einen so richtig kritisch. Vielleicht trage ich auch bald ein entsprechendes „Che Guevara“-Shirt. Das zeigt doch meinen Protest (gegen was eigentlich?) und sieht obendrein arschcool aus.

Stop!

In „Great fatigue“ beschreibe ich eine Collage aus Slogans, die mit dem Gedanken der ermatteten und meinungsfreien Gesellschaft spielt, deren Teil ich bin. Nein, damit spielen ist der falsche Ausdruck: wie einen Punching-ball vor sich her prügeln wäre besser beschrieben.

Ich habe einen Heidenrespekt vor politischen Texten. Der Ritt auf der Rasierklinge zwischen billiger „ich zeige mit dem Finger auf Dich“-Polemik und Lyrics, die einen, politischen Gemütszustand ehrlich formulieren, ist nicht einfach. Mit meinen Zeilen oben zeige ich ja, wie man es nicht machen sollte…

Vor Bands bzw. Textern, denen das gelingt, ziehe ich wirklich meinen Hut. Die Entscheidung welcher Text zu welcher der genannten Kategorien gehört, ist meist reine Bauchsache und damit nicht objektivierbar. Jahrelang umschiffte ich Politik in meinen Texten. Je älter man wird. Je mehr man erlebt, desto weniger kann man sich Politik aber entziehen. Ich auch nicht. So hielt sie ganz selbstverständlich auch Eingang in die Texte von Sonic Front. Auf „Depart“ z.B.  mit „Comatose“. Auf Pieces führen das einige Songs, so insbesondere „Great Fatigue“, fort. Ein Song voller Slogans. Bewusst voller Slogans. Eben wie in Strophe zwei beschrieben: „a short message for the sane“. In gerade noch konsumierbaren Häppchen.



Wrong

Das war der erste Song, den wir nach dem Vorgänger „Depart“ schrieben. Das ist wirklich schon lange, lange her. Im nachhinein wirkt er ein wenig wie ein Verwandter von „Speeding time“ auf „Depart“. Recht ähnlich. Eine vergleichsweise klassische Struktur. Und irgendwie wirkt der Song „einfacher“ und „leichter“ als viele andere auf „Pieces“. Wir setzten ihn deshalb bewusst zwischen „Great fatigue“ und „Underground“: zum Luftholen. Und ähnlich wie damals „Speeding time“ ist es einer der Songs, die ich mir jetzt am wenigsten anhöre. Wahrscheinlich weil er einfach weniger zu entdecken gibt als die anderen Songs. Wobei: als ich neulich mal in die „Depart“ reinhörte, war ich von „Speeding time“ eigentlich ziemlich angetan. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es mir mit „Wrong“ genauso gehen wird. Aber noch nicht jetzt. Ich bin einfach zu dicht an den Aufnahmen und dem Produzieren der Songs dran, als dass ich da unvoreingenommen heran könnte.

Rob, der das Album maßgeblich produzierte, erkor diesen Song zu einem seiner Favoriten. Bemerkenswert!

Kleine Anekdote noch am Rande. Die erste Gesangspassage hatte, wie wir beim Mischen entdeckten, einen Fehler. Nach dem Datentransport blieb ein hässliches Knacksen auf der Aufnahme. Damit wurde der Take ins Jenseits befördert. Schade! Ich frage mich, wie viele Aufnahmen von Bands auf diesem Weg – unnötiger Weise – im Jenseits landen. Vielleicht wären Songs, die wir lieben, tatsächlich noch besser?!



Inhalt:

Während sich frühere Alben von Sonic Front, insbesondere „Are you lost?“, textlich sehr stark um Beziehungsprobleme und meist das Ende einer Beziehung drehten, stellt „wrong“ auf dem neuen Album tatsächlich den einzigen Song dieser Art dar. Ich war von dem Gedanken „das Leben verändert sich am Neujahrstag. Danach wird alles irgendwie besser“ als Rettungsversuch einer Beziehung fasziniert und arbeitete das in den Lyrics auf. Schlüsselzeile für mich ist „try harder now. try breathing instead“. Ich kenne das aus eigener Vergangenheit. Den endlosen Verlockungen, eine kaputte Beziehung am Leben zu halten, nicht widerstehen zu können. So lange bis es mir beinahe den Atem nahm. Nicht gut.

Die (endliche) Erkenntnis „this is the end“ zum Ende des Songs ist tatsächlich die Erlösung in der beschriebenen Beziehung. Nicht in allen Facetten autobiografisch. Dennoch ähnlich erlebt.



Underground

Für mich war das seit je her unsere "Schweinerock"-nummer. Schön fett und alles breit walzend. Live immer ein Vergnügen, da es einfach nur abging. Kleine Anekdote auch hier: zu Beginn des Songs brülle ich ein "reverend", was ein Scherz ist. Untereinander in der Band gaben wir uns mit Vorliebe absurde Spitznamen. Spitzenreiter mit gefühlt jeweils 100 Spitznamen waren Stefan, Sebi und Arman. Ja, und einer von Sebis Spitznamen war "reverend lovejoy". Und frag mich nicht, aus welcher Stimmung es kam, aber das "reverend" in "Underground" überdauerte einfach alle Proben und letztlich auch die Studioaufnahme. Getreu dem Motto: ein bisschen Spaß muss sein, steht der Schrei am Anfang mal völlig sinnfrei. Und damit ist ein weiterer Joke für Insider nun enthüllt.

Zurück zum Song. Wir nahmen den bereits 2003 für Arndt Peltners Radio Goethe Sampler in den USA auf. Damals in einer kurzfristigen und spontanen Aktion, alles an einem Abend bei Willi Dammeier im Institut für Wohlklangforschung. Extra für Arndt entschärfte ich auch noch den Text. Damit er es auch im US-Radio senden konnte, wurde aus "well, you might as well fuck off" in der 2. Strophe: "well you´re not like Arndt Peltner". Ein kleines Dankeschön und Hommage an Arndt, der inzwischen ein Freund von mir geworden ist und in seiner Heimat in San Francisco eine wahnsinnig tolle Plattform für Musik aus Deutschland, Österreich und der Schweiz geschaffen hat. Einfach ein toller Typ! Nebenbei hat er uns das Tor nach Nordamerika geöffnet. Danke, Arndt!



Inhalt:

Klar träumten wir auch einmal den Traum vom Plattenvertrag und der großen Musikkarriere. Und da es nicht geklappt hat, mag es jetzt wie von einer frustrierten Jungfer klingen. Tatsächlich bin ich aber heilfroh, dass wir niemals nach der Pfeife einer Plattenfirma oder ähnlichem tanzen mussten. Wir konnten immer unser Ding durchziehen. Möglicherweise das Geheimnis unseres Erfolges und Misserfolges zugleich.

In "Underground" geht es um das Unvermögen der Plattenfirmen und A&R den wahren Untergrund zu betreten. Wie sie bereits seit einigen Jahren kein Risiko mehr eingehen, sondern nur noch One-hit-wonder produzieren und damit langweilen. Ich habe einen Heidenrespekt vor allen Bands, die sich Jahre lang im Keller abrackern und wirklich rocken. Wozu zum Geier brauchen sie nen Deal? Was sollte einem ein Label heute noch bieten? Den goldenen Löffel gibt man sich eh leichter beim Lotto. Dann lieber gleich alles voll und ganz alleine durchziehen und auch die volle Verantwortung tragen. Für Erfolg und Misserfolg. "Underground" ist für all jene Bands, die sich nicht verbiegen und ihr Ding so durchziehen, weil sie es so für richtig halten!



12-7

Arman und ich suchten noch nach einem atmosphärischen Zwischenstück, das ein wenig Tempo aus dem Album nimmt und idealer Weise das letzte Drittel des Albums einleitet. Arman spielte mir dann eines Tages sein Intro zu „Forgetting“ vor. Ich war auf anhieb sehr angetan. Sicher: das wird wohl kaum das Stück sein, dass man auf seine eigene „Hits“-Compilation nimmt. Aber es dient wunderbar zum Einstimmen auf das, was auf „Pieces“ danach folgt. Dickes Kompliment an unseren Tastenmann!



Forgetting is bliss

Das war tatsächlich der letzte Song, der von Sonic Front geschrieben wurde. Auch hier bestanden vor dem Gang ins Studio lediglich Rudimente, die letztlich ergänzt und arrangiert wurden. Der Gesang entstand in der Demo-Version ebenfalls bei mir zu Hause. Während den Gesangsaufnahmen mit unserem alten Keyboarder Christian Hawellek entstand dann die vorliegende Version (danke für den Tipp mit dem Mittelteil, Christian!).


Inhalt:

Ich erinnere mich daran, wie mir Christoph im Sommer 2004 sagte, dass er am liebsten einfach seine Bauchschmerzen und die ganzen Einschränkungen, die seine Krebserkrankung mit sich brachte, vergessen würde. Er sehnte sich nach Leben und einem Leben ohne Einschränkungen. Er sagte: „man denkt immer, wenn man todkrank ist, dann genießt man sein Leben noch einmal in vollen Zügen und macht eine große Reise oder so. Aber ich kann das alles nicht mehr.“.  Nach seiner ersten Op, wo ihm der komplette Magen entfernt wurde, konnte er nie mehr das Leben führen, das er vorher hatte. Es ist unglaublich, welche Entbehrungen er hinnehmen musste und wie sehr er bis zu seinem Tod kämpfte. Es macht mich auf der einen Seite sehr, sehr traurig. Auf der anderen Seite unterstreicht es die riesige Bewunderung, die ich für ihn habe. Bewunderung dafür, wie er mit sich selbst und der Situation umging. Wie er in seinen letzten Tagen derjenige war, der den Menschen in seinem Umfeld Kraft gab.

Die Wohltat oder besser das Glück des Vergessens. Das Vergessen der eigenen Situation und die damit verbundene Hoffnung, dass damit alles wieder „normal“ - gut - sein würde, ist das Leitmotiv für den Song. Dabei beginnt die erste Zeile bereits mit der Hoffnungslosigkeit des Unterfangens.

In der zweiten Strophe entfernt sich der Inhalt des Textes von dem realen Kontext zu Christoph und seiner damaligen Situation. Im Mittelteil ist er aber wieder da. Unmittelbar und direkt.

Und damit keine Missverständnisse entstehen: Christoph wird niemals vergessen sein! Ich erinnere mich an ein sehr langes Gespräch mit ihm. Es war kurz nach seiner zweiten, der erfolglosen Operation. Es war allen klar, dass der Kampf gegen die Krankheit verloren war. So schwach Christoph auch war, wir sprachen mehr als 2 Stunden sehr intensiv. Er offenbarte mir, dass eine seiner größten Sorgen sei, dass man ihn vergesse. Die Trauer um ihn sollte seiner Meinung nach nicht zu lange dauern. Vergessen solle man ihn aber nicht. Kryz, ich verspreche Dir: I´ll never forget! Alle die dich kannten und kennen lernen durften, werden es nicht!



Fortune son

Für mich persönlich eines der Highlights auf dem Album, weil sehr nah. Sehr direkt. Sehr intim. Leider kam Christoph nicht mehr dazu, die akustische Gitarre ganz zu Beginn selbst einzuspielen. Das übernahm dann Robert Adam für ihn. Übrigens in Absprache mit Christoph. Christophs Aussage dazu war, dass nur Rob das machen könne. Er sei für ihn einer der besten Gitarristen, die er kenne. Rob habe eine ähnliche Herangehensweise wie er und er wolle nur ihn, wenn Parts noch eingespielt werden sollten. Dankenswerte Weise hat Rob das dann auch ganz klasse gemacht.



Inhalt:

Das erste Mal, dass Christoph das Riff zu diesem Song spielte, war in der letzten Probe vor seinem ersten Rehaaufenthalt. Es klang für mich bereits damals irgendwie nach Abschied. Vom ersten Hören an war mir klar, dass der Inhalt des Textes von Christoph handeln musste. Die eigentlichen Lyrics vollendete ich dann aber erst kurz nach seinem Tod. Aus der eigentlichen lyrischen Idee, die ich hatte, verblieb eigentlich nur noch „they called you fortune son“. Eine Anspielung auf das gesegnete Talent, das er hatte und die besondere Persönlichkeit, die er darstellte.

Der Rest des Songs beschreibt meinen Gefühlszustand (einen Teil dessen) nach seinem Tod. Darauf möchte ich an dieser Stelle nicht detailierter eingehen. Es steht alles im Text.



John Timer

Eigentlich wollten wir den Song in 3 Tracks unterteilen (Fortune son/John Timer/12-7). Weil es sowohl musikalisch als auch textlich Trennungen zuließ. Es machte für uns dann aber im Rahmen der Produktion immer weniger Sinn, wie ursprünglich geplant vorzugehen. Vor allem weil wir "Forgetting is bliss" in 2 Tracks aufteilten (und dann frecher weise auch noch den Titel "12-7" übertrugen). Der lange Endpart wurde so also nicht mehr mit einer weiteren Trackmark versehen, was auch ok ist. Aber egal, wen interessiert das eigentlich? ;-)

Christoph kam nicht mehr dazu, die Gitarren für den Mittelteil des Songs einzuspielen. Was man hört, sind lediglich seine Begleitungen, die er live für Stefan und Sebi zum Einspielen von Drums und Bass im Studio mitspielte. Glücklicherweise nahmen wir diese Gitarren damals mit auf. Na, und da Christoph eh immer präzise spielte, war es auch kein Problem, den Take später zu verwenden. Im übrigen finde ich den genau so wie er ist total geil, weil er einfach echt und lebendig ist. Folglich musste auch das Brummen der Amps zu hören bleiben. Etwas, was im Rahmen der Endproduktion eigentlich immer raus geschnitten wird. Auch hier ein Moment auf den ich viel Wert lege: das Echte und Rohe bewahren!

John Timer ist auch einer der Songs, die nie live gespielt wurden, sondern in dieser Form im Studio entstand. Ich hatte lange Probleme, eine Gesangslinie zu finden. Ähnlich wie bei „great fatigue“. Sollte sie hart werden? Schnell? Brüllend? Singend? Ich hatte keinen Plan. Nach dem Tod Christophs ergab sich der textliche Inhalt irgendwann von alleine (siehe Inhalt). Der Gesang entstand dann auch wie von alleine. Ich bin mir sicher, dass sich der Gesang - hätten wir den Song wie früher im Proberaum durch gemeinsames Spielen geschrieben, anders entwickelt hätte. Vielleicht ähnlich wie "Disturban" auf "Depart". Da ich aber zu Hause saß und in der Mietwohnung schlecht rumbrüllen konnte, entstand der eher weich gesungene Refrain. Eigentlich ein ganz guter Kontrast zu dem sonst hart instrumentierten Song, wie ich finde.

Was wiederum spät in der Nacht im Studio entstand, war das Ende des Songs. Der "I still believe you´re there"-Teil entstand als letzter Take einer Aufnahmesession. Das sind dann die Momente, in denen ich denke "ok, jetzt Vollgas. Wenn es die Stimmbänder für heute zerreist, nicht schlimm. Heute wird danach eh nichts mehr eingesungen". Ich nahm 2 Takes auf, wobei Christian (der mit mir die Aufnahmen machte) und ich uns schnell für den ersten entschieden. Wer mit der Zeile gemeint ist, dürfte offensichtlich sein, oder?!

Ich wurde schon gefragt, was wir uns denn bei dem Ende gedacht haben, und warum der Song in dieser ausgedehnten Verzerrung endet. Nun: das Ende von "Timer" soll schmerzen. Genauso wie der Krebs immer mehr Christoph zerstörte, frisst sich die Verzerrung am Ende durch den Song und beendet ihn. Es hört sich vielleicht ein wenig merkwürdig an und ist nur begrenzt nachvollziehbar: aber wir wollten den Schmerz und das Zerstörerische akustisch abbilden. Wenn Dir das Ende akustisch unangenehm und schmerzhaft erscheint: dann ist es das, was wir wollten. Es folgt der Schock, die Stille und dann "wave goodbye" als Abschied und Hoffnung zugleich.

 

Inhalt:

Wer oder was ist eigentlich John Timer? Christoph hat seine letzten Tage zu Hause verbracht und ist dann auch dort verstorben. Da Arman Arzt ist, hat er ihn bestens medizinisch betreut und mit Schmerzmitteln versorgt. Ich war auch ständig da und so verbrachten wir die letzten Tage gemeinsam. So traurig die letzten Tage mit Christoph für uns alle waren, es gab immer noch viele Momente, wo man herzlich mit ihm lachen konnte. In einem seiner etwas von Morphium berauschten Momente erzählte Christoph davon, dass er ein Konzept für eine Cartoon-Serie habe. Den Protagonisten nenne er John Timer, der als Detektiv am Ende einer jeden Folge in eine ausweglose Situation gerate, in der er eigentlich versterben müsse. Dank seiner Superkraft, in der Zeit reisen zu können, entkomme er dem Sensenmann aber regelmäßig. Der Beherrscher der Zeiten heiße dann folgerichtig John Timer. So entwickelte Christoph laut denkend ein Konzept, das er aber abrupt abbrach mit dem Hinweis "ach die Story ist bereits ab der zweiten Folge so scheiße, dass die Serie wieder abgesetzt wird". Brüllendes Gelächter! Zurück zu dem Song: John Timer steht als Synonym für Christoph. Ich nahm die Idee auf, eine Figur aus der Erzählerperspektive zu begleiten. Naja, und die Figur gründet mit Freunden eine Band, usw. ….Parallelen zu einer Band namens Sonic Front sind natürlich überhaupt nicht zufällig.

Den Werdegang von Sonic Front und auch Christoph ein wenig Revue passieren zu lassen, fand ich erst scheiße, weil ich als Beteiligter sicherlich auch zu wenig Abstand dazu habe. Aber nun: wenn nicht auf dem letzten Album, wann dann? Außerdem ist es eine ganz persönliche Reflexion, die uns als Band eint und die sich unser John Timer einfach verdient hat. Ich vermisse Dich sehr, mein Lieber!

Also, stand up like you did before! Because in a song he will be living forever.



Wave goodbye

Der Song entstand Anfang 2004. Ich erinnere mich, wie Christoph und Arman unzählige Stunden - meist im Anschluss an unsere Freitagabendproben -  zusammen saßen und an den Keys aus dem Anfangsteil schraubten. Der fette Gitarrenpart im Anschluss entstand erst später, dann aber eigentlich recht schnell und fand sich ganz natürlich. Wir jammten den Song schließlich lediglich an einer Probe. Und mit Gesang spielten wir ihn tatsächlich nur ein- oder zweimal überhaupt. Ich nahm das damals mit meinem MD-Recorder auf. Die komplette Gesangslinie für den Schlusspart entstand während dieses Jams. Ich erinnere mich, dass ich eine Gänsehaut bekam in dem Moment, in dem wir alle spielten. Es fühlte sich so intensiv an, dass ich wusste, dass dies ein großer Song werden würde.

Der Gesang für den Anfangsteil und auch der Text entstand während Christoph zu seiner ersten Reha war. Ich spielte ihm meine Demo-Aufnahme von zu Hause vor und er war sehr angetan. Gemeinsam gespielt haben wir den Song dann aber nie mehr.

Kurz bevor Christoph starb, nahm ich den Gesang aus der ersten Songhälfte auf. Nach Christophs Tod am 07.12.04 war Arman und mir klar, dass wir diesen Song auf seiner Beerdigung spielen lassen wollten. Ich ging also wenige Tage nach seinem Tod wieder ins Studio, um den Schlussteil des Songs einzusingen. Es war eine sehr aufwühlende Nacht… Gemeinsam mit Robert Adam setzten wir uns danach zusammen, um in der Nacht vor Christophs Beerdigung eine spielbare Version des Songs zu produzieren. Diese wurde tags darauf auf der Beerdigung gespielt.

Auf dem in 2005 erschienen Radio Goethe Sampler in den USA ist diese Version enthalten. Und ich freute mich wirklich sehr über viele positive Rückmeldungen über den Song. Insbesondere, dass die besondere emotionale Stimmung verstanden wurde.

Der Song ist für mich einer der besten und natürlich auch vor diesem Hintergrund der berührendste von allen Sonic Front Songs. Für das Ende von "Pieces" konnte kein anderer Song in Frage kommen.

Und es gibt mir ein gutes Gefühl, dass wir unser letztes Album mit diesem Song abschließen. We have run and now we are home!



Inhalt

Ich mag viele Texte von Johnny Cash und Bruce Springsteen, weil sie es verstehen, Geschichten zu erzählen. Es sind kurze Stories, in die man sich hinein versetzen kann, auch wenn man es nicht zwingend selbst erlebt hat. Leider geht mir diese Fähigkeit beim Schreiben ab. Zumindest hatte ich mit meinen Versuchen in diese Richtung noch nicht den gewünschten Erfolg. Bei "wave goodbye" versuchte ich es. Und ich bin auch noch heute zufrieden mit dem Text und welche Stimmung er vermittelt.

Es geht um einen Familienvater, der nachts an einem Strand steht und wild entschlossen ist, sich das Leben zu nehmen. Er hört in sich hinein, bevor er sich den Wellen hingeben will und zaudert. Er zögert lange. In dem Moment, in dem er sich eigentlich entschieden hat: "this is my wave, goodbye" und sich dieser einen Welle hingeben will (die gleichzeitig seinen Abschiedsgruß darstellen soll), überkommt ihn ein letzter Gedanke: wer erzählt es dann eigentlich seiner Witwe und wie sagt man es seinem Kind?

In dem Moment, in dem die Gitarren einsetzen, bricht bildlich die Morgensonne durch, die seine Entscheidung zum Leben symbolisiert. Eigentlich fast eine der positivsten Aussagen, die je in einem Sonic Front Song war.

Ich gebe aber zu, dass der Song durch Christophs Tod und speziell bei seiner Beerdigung auch eine andere Bedeutung genommen hat. Ich verwendete bewusst doppeldeutige Ausdrücke, die, wenn man sie nur hört, zwei völlig unterschiedliche Bedeutungsebenen haben. Das fängt mit dem "wave goodbye" an (a) =zum Abschied winken, b) sich von einer Welle verabschieden, die in diesem Kontext wie oben erläutert eine besondere, todbringende Rolle spielt) und es geht weiter mit "morning come" (was einen Ruf nach dem Morgen darstellen soll. Mit dem gleich ausgesprochenen "mourning come" jedoch eine gänzlich andere Aussage hat: nämlich so viel wie der Ruf nach Trauer ). Und aus "sun keep rising" soll auch das spirituelle "son, keep rising" (Sohn steig auf) verstanden werden.

Da der Song inzwischen ganz eng mit Christophs Tod verbunden ist, deuten die meisten Zuhörer für sich die zweite Ebene des Textes. Und das ist auch völlig in Ordnung. Ich tue es seit Christophs Tod auch. Selbst wenn die ursprüngliche Intention des Textes nicht darauf abzielte.

Die letzte Zeile des Songs ist tatsächlich Christoph gewidmet und ich habe sie auch erst nach seinem Tod zum Song ergänzt: "I´ve run and now I´m home". Es steht für seinen Kampf, den er lange auch mit sich selbst ausgefochten hat und der absoluten Ruhe und Ausgeglichenheit die er vor seinem Tod fand. Auch wenn Christoph viel zu früh verstorben ist und ich mir sehnlich wünsche, dass er noch lebt: er ist angekommen!